Statement der Lichterkette e.V.
Zu den Äußerungen und der Diskussion rund um unser „Stadtbild“
Die jüngsten öffentlichen Äußerungen des Bundeskanzlers, in denen er von einem „Problem im Stadtbild“ sprach und seine Aussage mit dem Hinweis „fragen Sie mal Ihre Töchter“ verteidigte, sorgen bei uns von der Lichterkette e.V. für große Besorgnis. Als zivilgesellschaftlicher Träger, der sich seit Jahrzehnten für Zusammenhalt, Teilhabe und Menschenwürde einsetzt, sehen wir darin sowohl eine rhetorische als auch eine inhaltliche Fehlleitung der Debatte.
Warum wir diese Aussagen kritisch bewerten
Stigmatisierung statt Ursachenbenennung
Die Formulierung „Problem im Stadtbild“ verlagert die Debatte auf das Sichtbare — das Erscheinungsbild von Menschen — und läuft damit Gefahr, ganze Bevölkerungsgruppen pauschal als Teil eines Problems zu markieren. So werden komplexe gesellschaftliche Herausforderungen (Armut, fehlende Perspektiven, Wohnungsnot, fehlende Integrationsangebote) nicht analysiert, sondern durch äußere Zuschreibungen ersetzt.
Instrumentalisierung von Schutzbedürfnissen
Das Wording „unsere Töchter“ appelliert an existentielle Schutzgefühle und Emotionen und erzeugt Bilder von Gefahr, ohne die tatsächlichen Ursachen zu benennen oder mit empirischen Daten zu belegen. Solche Bilder können Ängste schüren und Ressentiments gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte verstärken.
Gefahr der Polarisierung
Pauschale Aussagen und das anschließende Verharren auf diesen Formulierungen („ich habe nichts zurückzunehmen“) schaffen verbreitetes Misstrauen und blockieren den konstruktiven Dialog. Sprache hat Wirkung: Politiker*innen tragen Verantwortung, Polarisierung zu vermeiden und gemeinsame Lösungen zu fördern.
Was wir stattdessen fordern
Die Lichterkette e.V. fordert eine Politik, die auf Fakten, Empathie und konkrete Lösungen setzt. Dazu gehören Investitionen in präventive Sozialarbeit, Bildung und Stadtentwicklung, eine auf Daten basierende Sicherheitspolitik sowie der Ausbau von Integrations- und Teilhabeangeboten. Wichtig sind zudem eine verantwortungsvolle Sprache, die Stigmatisierung vermeidet, und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die vor Ort Vertrauen schaffen und Unterstützung bieten.
Unsere Rolle und unser Angebot
Als Lichterkette e.V. bleiben wir in München Ansprechpartnerin für Betroffene, Multiplikator:innen für Dialog und Partnerin für Politik und Verwaltung. Wir bieten Praxiswissen aus der Projektarbeit, Erfahrung in lokalgesellschaftlicher Vernetzung und konkrete Vorschläge für Prävention und Integration an. Wir laden Entscheidungsträger*innen ein, in einen konstruktiven Austausch mit Trägern, Wissenschaft und Betroffenen zu treten — statt Angstbilder zu verbreiten.
Unser Appell
Politik und Öffentlichkeit sollten Sprache und Inhalte wählen, die Zusammenhalt stärken, Probleme sachlich analysieren und reale Lösungen voranbringen. Unser Münchner Stadtbild ist vielfältig — das ist unsere Kraft. Ausgrenzung und Pauschalvorwürfe schaffen keine Sicherheit, sie schaffen Ausgrenzung.
Als Lichterkette e.V. stehen wir seit über dreißig Jahren für dieses Miteinander ein. Unser Stadtbild ist nicht das Problem – es ist der Ausdruck unserer gemeinsamen Gesellschaft.
